Bereits im Januar hatten wir über den neuen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder berichtet. Sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung,
den Schutz von Kindern auszuweiten. Allerdings ließ uns eine Passage im Entwurf aufmerksam werden, nämlich, dass das Inverkehrbringen, der Erwerb und der Besitz von Liebespuppen mit kindlichem Aussehen unter Strafe gestellt werden soll.
Der Ansatz dieser Überlegung und die dazu gehörige Berichterstattung in der Presse erscheint uns im wahrsten Sinne des Wortes unglaublich – vor allen Dingen ob seiner abschätzenden, (vor)verurteilenden und diskriminierenden Argumentation. Diese zieht unbegründete (und nicht bewiesene) Verbindungen zwischen Pädophilen und Puppenliebhabern. Darüber jedoch später mehr.
Puppenliebhaber
Schauen wir uns erst einmal die Puppenliebhaber an – uns hier bei Doll´s Lounge eingeschlossen. Wir sind ein buntes Volk, quer durch alle Schichten und Altersklassen, Männer und Frauen – und so unterschiedlich wie wir, sind auch unsere Motivationen und Gründe.
Aber Fakt ist einfach: Wir haben ein Faible für Puppen. Lebensechte Puppen. Na und?
Erstmal alles gut. Wir leben in Frieden mit unseren Nachbarn, wir gehen zur Arbeit, wir pflegen Kontakte und haben Familie. Wir sind Mitglieder dieser Gesellschaft. Sollte jedoch dieser Gesetzentwurf die Absolution erhalten, wird eine ganze Gruppe von Menschen kriminalisiert, die wahrscheinlich soweit von Pädophilie entfernt sind wie Pinguine von der Wüste.
Was bedeutet kindliches Aussehen?
Im ersten Augenblick beruhigte noch der Zusatz im Gesetzentwurf „mit kindlichem Aussehen“. Doch wer definiert, was kindlich ist?
Definieren wir es bei der Puppe über die Größe, wird es für einige der Puppenliebhaber schwierig werden – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Größe einer Puppe hängt unweigerlich mit ihrem Gewicht zusammen – das heißt je größer eine Puppe ist, desto schwerer wird sie in der Regel sein. Vielleicht sitzt der betroffene Mensch im Rollstuhl oder ist in irgendeiner anderen Form körperlich so eingeschränkt, dass ihm ganz einfach die Kraft fehlt, eine Puppe in „Erwachsenengröße“ zu handeln. Vielleicht ist es aber auch nur ein Platzproblem. Aber gut, lassen wir die Größe einmal außen vor.
Nicht kindlich kann auch bedeuten: Mit ausgereiften, geschlechtsspezifischen Merkmalen. Leider hat jedoch die Natur die Frauen sehr unterschiedlich geschaffen. Nicht jede Frau hat eine üppige Figur – und nicht jeder Mann steht auf üppige Formen. Ebenso sind auch die körperlichen Unterschiede beispielsweise zwischen Asiatinnen, Südamerikanerinnen, Afrikanerinnen und europäischen Frauen nicht unerheblich. Auch hier kommen wir also schnell in eine Sackgasse.
Körperbehaarung? Auch kein Kriterium mehr. Der aktuelle Modetrend sagt ganz klar: Keine Körperbehaarung – was allgemein gesellschaftlich akzeptiert sein muss, sonst würden nicht überall Waxing-Studios wie Pilze aus dem Boden sprießen – und es kommt auch niemand auf die Idee, Geschlechtsorgane ohne Schamhaar mit pädophilem Verhalten in Zusammenhang zu bringen. (In manchen Teilen der Gesellschaft werden Menschen mit Schamhaar oder sonstiger Körperbehaarung eher als ungepflegt betrachtet.)
Und wenn wir gerade von Trends sprechen. In unserer Gesellschaft herrscht weiterhin ein ungebremster Jugendwahn. Damit erzählen wir sicherlich nichts Neues. Die kosmetische Chirurgie macht Milliardenumsätze damit.
Faltenfrei, knackig, jung.
Das ist unser Schönheitsideal, das uns tagtäglich durch alle Medien verinnerlicht wird. Dieser Wahn nimmt in anderen Ländern teilweise skurrile Formen an (siehe Japan). Und ebenfalls sehr im Trend: Das Operieren der Schamlippen. Einfach mal drüber nachdenken.
Und man sollte sich deutlich vor Augen führen, dass sich kaum jemand diesen Einflüssen entziehen kann. Die permanente Infiltration unseres Unterbewusstseins durch mediale Botschaften verankert mehr Informationen als uns lieb ist. Also der Wahn nach jung und schön ist ein breites gesellschaftliches Problem.
Ob man das nun gut oder schlecht findet, gehört in eine andere Diskussion. Fakt ist aber, dass sicherlich niemandem zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn er Puppen liebt, die jugendlich aussehen. Ja, und Geschlechtsorgane – die haben wir nun mal. Die gehören dazu, die unterscheiden Mann und Frau. Und das ist das natürlichste auf der Welt. Wollen wir nicht endlich mal aufhören, einen Teil unseres Körpers zu tabuisieren? Die Evolution hat sich etwas dabei gedacht.
Sexualität
Der Mensch ist in der Lage – im Gegensatz zu den meisten Tieren – in seiner Sexualität Lust zu empfinden und auch bewusst mit seiner Sexualität umzugehen. Und dieses Ausleben von Lust hat es schon immer gegeben. Es ist ein Teil unserer menschlichen Kultur und Geschichte. Die gesellschaftliche Akzeptanz – also was ist in Ordnung oder was wird als „falsch“ empfunden – hängt ganz konkret davon ab, wo, also in welchem Kulturkreis ich mich befinde, und wann, also in welcher Epoche. Aber das Ausleben von Sexualität, egal in welcher Form, ist keine Erfindung der Neuzeit.
Natur oder Willkür?
Galt im alten Griechenland beispielsweise Homosexualität noch als normal, wurde sie später verteufelt. Heute entwickeln wir langsam wieder Toleranz – allerdings nur in unserer Kulturgruppe. Im arabischen Raum sieht das noch etwas anders aus.
Es geht nicht um richtig und falsch. Es handelt sich um willkürlich festgesetzte Regeln.
Das heißt, das was wir als angemessenes Sexualverhalten akzeptieren, hängt ganz stark davon ab, in welcher Gesellschaftsgruppe wir aufwachsen – und selbst in dieser Gruppe können die Wertvorstellung differenzieren (konservativ bis liberal).
Meine Freiheit – Deine Freiheit
Wir sollten erst gar nicht die Frage stellen, ob man und wie man seine sexuellen Vorlieben oder Fetische ausleben darf. Die einzige relevante Frage ist, ob man dabei jemandem schadet. Wenn nicht, ist es Privatangelegenheit.
Jeder normal sozialisierte Mensch weiß: Dort wo ich die Freiheit eines anderen einschränke, hört meine eigene auf. Und das gilt bitte in allen Lebensbereichen, nicht nur in der Sexualität.
The missing Link
Und um noch einmal auf den Anfang zurück zu kommen – die Schar der Puppenliebhaber ist buntgemischt und ebenso die Motive, die nicht immer sexueller Natur sein müssen. Eine Doll ist nicht automatisch ein Sexspielzeug – nur, weil sie „Geschlechtsorgane“ aufweist. Und übrigens: Es gibt auch männliche Puppen.
Wie haben die Verfasser dieses Gesetzentwurfes nun den Zusammenhang zwischen Sexpuppen und Pädophilie hergestellt? Das ist eine wirklich spannende Frage. Wenn das Thema nicht so ernst wäre, müsste man eigentlich darüber lachen.
Frage: Gibt es straffällig gewordene Pädophile, in deren Kontext oder Geschichte Liebespuppen eine Rolle gespielt haben?
Antwort: Nein. Trotz ausgiebiger Recherchen konnte kein einziger Fall gefunden werden, der auch nur im Ansatz eine Verbindung von Puppen zu Kindesmissbrauch zeigt.
Bei einer solchen Dreistigkeit bleibt einem salopp gesagt, die Spucke weg. Da wird willkürlich eine Minderheit in unserer Gesellschaft zum Sündenbock gestempelt – vielleicht mit hehrem Ziel, aber falschen Mitteln, und auch wenn es aus Unwissenheit und falschen Vorstellungen geschieht, ist es doch grob fahrlässig. (Wobei wenn es an Unwissenheit und falschen Vorstellungen liegt, stellt sich die Frage, was diese Menschen für eine Fantasie haben.)
Aber das kennen wir ja bereits aus der Geschichte. Wir Menschen sind sehr begabt, wenn es um Intoleranz und Diskriminierung geht. Alles was wir persönlich nicht kennen, macht uns Angst. Und je engstirniger und konservativer Mensch gestrickt ist, desto mehr Sündenböcke braucht er.
Mensch macht Jagd auf Christen, Juden und Moslems, auf Schwarze, auf Schwule, auf Trans-Menschen, auf Fremde, Frauen … Die Liste ließe sich bestimmt noch ein bisschen erweitern.
Ein kleines Gedankenspiel
Stellen wir uns mal vor, die Damen und Herren, deren Fantasie wir diesen Passus im Gesetzesentwurf zu verdanken haben, hätten Alkohol als Übeltäter identifiziert.
Menschen unter Alkoholeinfluss verlieren die Kontrolle, sind nicht mehr Herr ihrer Sinne und ihres sexuellen Verlangens. Menschen unter Alkohol üben Gewalt aus (schlagen Frau und Kinder), verursachen Verkehrsunfälle, misshandeln Prostituierte, verüben sonstige Straftaten, usw.
Dazu eine hübsche Statistik, wie viele Delikte in den letzten Jahren in Zusammenhang mit Alkohol verübt, gemeldet oder sonst was wurden.
Ganz klarer Fall. Alkohol und Gewalt und Missbrauch sind relativ einfach in eine kausale Kette zu bringen, die sich auch sehr gut belegen lässt. Ergo – die logische Konsequenz: Alkoholverbot.
Jetzt kommen Sie. Selten so gelacht. Das wird natürlich nie und nimmer geschehen. Alkohol erfährt so eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz, hat so eine große Lobby, dass niemand auf die Idee kommen würde, Alkohol zu verbieten um Kinder, Frauen oder überhaupt irgendeinen Menschen vor den Folgen des Missbrauchs zu schützen.
And that´s it.
Wir Puppenliebhaber haben keine Lobby und kein Gesicht. Wir sind eine kleine Randgruppe. Deshalb wird sich niemand für uns stark machen. Wir haben keinen prominenten Vertreter. Wir können uns nicht wehren.
Soweit darf es nicht kommen
Das können wir so nicht stehen lassen. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, eine Verfassungsbeschwerde gegen den vorliegenden Gesetzentwurf einzureichen. Wir sehen es als unabdingbar und als wichtig an, bereits jetzt im Vorfeld proaktiv gegen diesen Entwurf vorzugehen.
Wer Interesse an weiteren Informationen hat, kann und darf sich gerne mit uns in Verbindung setzen und wir freuen uns auch über jede Form der Unterstützung.
Bei Fragen, Anmerkungen, hilfreichen Hinweisen oder sonstigen Formen der Unterstützung bitte per Mail an info@dollslounge.de wenden.
Vielen Dank.